Zum Inhalt springen
Hermann-Josef Tenhagen

Höhere Beiträge für die Pflege Warum es für Privatversicherte teurer wird

Wer privat krankenversichert ist, bezahlt auch die vorgeschriebene private Pflegeversicherung - und die kostet gerade deutlich mehr Geld. In Zukunft kann es sogar noch viel schlimmer kommen.
Pflegeheim-Bewohner

Pflegeheim-Bewohner

Foto: Jens Büttner/ dpa

Schreiben von der privaten Krankenversicherung zum Jahresende verheißen oft nichts Gutes. So auch in diesem Beispielfall. Bereits im vergangenen Jahre habe man die Beiträge zur Pflegeversicherung anpassen müssen, schreibt der Versicherer. Die Pflegeversicherung gehört zur privaten Krankenversicherung als Extra dazu. "Jetzt ist wieder eine Erhöhung der Beiträge erforderlich. Das hat auch uns überrascht."

Und was für eine Erhöhung! Der Beitrag zur Pflegeversicherung steigt im konkreten Fall von 49 Euro auf 65 Euro - um ein Drittel. Für Privatversicherte besteht schon immer das Risiko, dass die Beiträge steigen, das persönliche Einkommen aber nicht. Neuerdings steigen nicht nur die Kosten für die eigentliche Krankenversicherung. Sondern auch die für die Pflegeversicherung.

Die Erhöhung um ein Drittel ist kein Ausreißer, eher der Normalfall. Denn die Kosten und Beiträge für die private Pflegversicherung werden für alle Privatversicherten gemeinsam ausgerechnet. Das heißt: Fast alle sollten aktuell eine deutliche Erhöhung bekommen haben.

Seit 2014 hätten sich die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung im Schnitt von 27 auf 74 Euro im Jahr 2020 erhöht, schrieb mir der Verband der privaten Krankenversicherer PKV diese Woche.

An das Erhöhungsschreiben an den PKV-Versicherten ist eine detaillierte Erklärung angeheftet. In der heißt es, zum einen seien die Leistungen, die die Versicherung vor allem für die ambulante Pflege von Privatpatienten habe ausgeben müssen, im vergangenen Jahr um 15,5 Prozent gestiegen. Das ist eine Folge der Pflegereform: mehr Leistungen und mehr Pflegebedürftige, die aus der privaten Pflegeversicherung Geld erhalten. Die Zahl der Patienten sei in den vergangenen Jahren um ein Viertel gestiegen.

Doch nicht nur die aktuellen Kosten treiben die Beiträge für die Pflege nach oben, sondern auch die Vorsorge für die Zukunft.

Dazu muss man wissen: Die private Pflegeversicherung ist wie die private Krankenversicherung als Ganzes eine kapitalgedeckte Versicherung. Als jüngerer Mensch zahlt man also nicht nur für die aktuell anfallenden Pflegekosten der Versicherten, man zahlt auch für zukünftig (im Alter) wahrscheinlich anfallende Pflegekosten. Zurzeit macht das sogar den Großteil der Pflegeversicherungskosten aus: rund 70 Prozent davon wird für die Zukunft zurückgelegt.

Das ist eine Menge. Und doch ist nicht ganz klar, ob es genug ist. Denn wie wir Privatleute hat auch die Versicherungsbranche Probleme, ihr Geld gewinnbringend anzulegen. Schon im Vorjahr sind die Rücklagen auf stattliche 36 Milliarden Euro angewachsen. Früher gab es dafür ordentliche Zinsen, heute wegen der Zinsflaute leider nicht mehr.

Von 3,5 Prozent Zinsen auf 2,4 Prozent

Aktuell trauen sich die privaten Krankenversicherer noch zu, 2,4 Prozent Verzinsung für ihre Versicherten herauszuholen. 2014, als die Beiträge noch deutlich niedriger lagen, rechneten die Versicherer noch mit 3,5 Prozent Zinsen pro Jahr.

Wenn der Rechnungszins von 3,5 auf 2,4 Prozent sinkt, hat das einen beträchtlichen Effekt. Gibt es weniger Zinsen, muss für die Leistungen im Alter heute deutlich mehr Geld zurückgelegt werden als früher mal geplant war. So ist mindestens ein größerer Teil der aktuellen Tariferhöhung auch den Niedrigzinsen geschuldet.

Der Pflegebeitrag für Privatversicherte ist nach oben gedeckelt: Wer seit fünf Jahren pflegeversichert ist, zahlt maximal den Höchstbeitrag der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung. Doch das ist nur ein schwacher Trost: Denn der Deckel liegt aktuell bei knapp 143 Euro im Monat.

Das Paradoxe daran: Auch der Beitragsdeckel führt zu weiteren Kosten. Denn muss der Versicherer mehr als diese 143 Euro für einen Versicherten kalkulieren, kann er diese Kosten umlegen - auf die anderen Versicherten.

Ein Ende dieser Beitragsmisere ist noch nicht abzusehen. Bleiben die Zinsen so niedrig wie bisher, werden Versicherer auch den Rechnungszins weiter senken müssen - und damit die Beiträge erhöhen.

Zum Autor
Foto:

Micha Kirsten / Finanztip

Hermann-Josef Tenhagen, Jahrgang 1963, ist Chefredakteur von »Finanztip« und Geschäftsführer der Finanztip Verbraucherinformation GmbH. Der Geldratgeber ist Teil der Finanztip Stiftung. »Finanztip«  refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links, nach deren Anklicken »Finanztip« bei entsprechenden Vertragsabschlüssen des Kunden, etwa nach Nutzung eines Vergleichsrechners, Provisionen erhält. Mehr dazu hier .

Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift »Finanztest« geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der »taz«. Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.

An dieser Stelle kommt normalerweise der Teil, wo ich Ihnen rate, was Sie tun sollen. Der fällt in diesem Fall etwas kurz aus. So richtig empfehlen kann ich Ihnen nämlich nichts. Die private Krankenversicherung ist für langjährig Versicherte kein Markt, auf dem man einfach zu einem anderen Anbieter wechseln kann, wenn der bisherige nicht die erwartete Leistung bringt. Wer einmal eine private Krankenversicherung abgeschlossen hat, ist mit dieser ziemlich fest verheiratet. Der Grund: Wer den Anbieter wechselt, verliert den Großteil der Rücklagen, die die Versicherung bereits auf Ihrem Namen reserviert hat.

Es bleiben zwei Möglichkeiten, etwas Entlastung zu finden:

  • Sie können erstens das Angebot bei Ihrer Krankenversicherung wechseln. Viele Krankenversicherungen bieten in unterschiedlichen Tarifen ähnliche Leistungen zu doch sehr unterschiedlichen Preisen an. Prüfen Sie diese Möglichkeit! Auf die Wechselmöglichkeit  sollten Sie eigentlich auch bei jedem Prämienerhöhungsschreiben hingewiesen werden.
  • Zweitens können Sie vielleicht in das gesetzliche System zurück. Wenn Sie noch keine 55 sind, aber absehen können, dass Ihre Alterseinkünfte nicht hoch sein werden, sollten Sie das prüfen . Die private Versicherung fragt (anders als die gesetzliche) nicht danach, was Sie sich leisten können. In der Regel ist das Einkommen im Alter deutlich geringer. So manchem Privatversicherten raubt das im Rentealter finanziell den Atem.

Deshalb noch ein Rat für alle, die sich jetzt erst privat versichern wollen. In jungen Jahren locken die privaten Anbieter mit günstigen Preisen und tollen Leistungen. Prüfen Sie nicht nur das , sondern auch Ihre Lebensplanung. Glücklich privat krankenversichert zu sein setzt voraus, dass Sie entweder schon vermögend sind, Beamter oder doch beruflich so erfolgreich, dass Sie sicher viel Geld im Alter zur Verfügung haben werden. Alle anderen sollten die Finger davon lassen.