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Dresdner Rundkino-Geburtstag: Der Papierkorb von Robotron

Prager Straße, Robotron und Rundkino: Dresden ist eine Stadt der Ostmoderne. In diesem Jahr feiert das Rundkino seinen 50. Geburtstag. Architekt Gerhard Landgraf sagt, warum das Gebäude rund ist und ob er den Abriss seiner anderen DDR-Häuser bedauert.

Von Peter Ufer
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Markantes Stück Ostmoderne: Das Dresdner Rundkino eröffnete 1972.
Markantes Stück Ostmoderne: Das Dresdner Rundkino eröffnete 1972. © Claudia Hübschmann
"Der Abriss der Architektur aus der DDR ist ungerecht und falsch": Rundkino-Architekt Gerhard Landgraf.
"Der Abriss der Architektur aus der DDR ist ungerecht und falsch": Rundkino-Architekt Gerhard Landgraf. © privat

Herr Landgraf, Sie sind am 20. September 91 Jahre alt geworden. Glückwunsch!

Danke! Aufgewachsen bin ich übrigens in der Altstadt, in der Nähe der Annenkirche. Dort habe ich auch den Angriff auf Dresden 1945 erlebt. Aus den brennenden Trümmern sind wir Richtung Gombitz geflüchtet. Dort lebten wir einige Zeit in einer Gärtnerei, wo ich auch gearbeitet habe.

Wie kamen Sie zum Studium?

Vermutlich weil ich meine Ausbildung sehr gut absolviert hatte. Meine Eltern bekamen vom damaligen Dresdner Bürgermeister Weidauer einen Brief. Darin wurde empfohlen, dass ich ein Studium Richtung Bauwesen aufnehmen sollte. So begann ich zunächst an der Staatsbauschule Dresden ein Studium. Die Schule wurde aber geschlossen, weil ein Großteil der Professoren Mitglieder in der NSDAP waren. So ging ich nach Leipzig und studierte bis 1951 Bauingenieur, Fachrichtung Architektur. Danach begann ich bei der Bauplanung Sachsen auf der Tannenstraße 4 zu arbeiten.

Was waren Ihre ersten Projekte?

Zunächst mal durfte ich in dem Büro als junger Absolvent mithelfen bei der Neugestaltung des Altmarktes. Da ich sehr gut zeichnen konnte, durfte ich dort viele Visualisierungen und Skizzen anfertigen. Später kam das Projekt Ernst-Thälmann-Straße sowie der Kulturpalast und das Pick-Nick, die Selbstbedienungsgaststätte, hinzu. Eines ist mir wichtig zu sagen: Das waren immer Kollektivarbeiten, und ich war einer davon. Sogenannte Stararchitekten wie heute, das gab es damals nicht.

"Es begann mit einem öffentlichen Wettbewerb": Blick auf Rundkino und Bastei-Hotel
"Es begann mit einem öffentlichen Wettbewerb": Blick auf Rundkino und Bastei-Hotel © Balance Film

Wann begannen die Arbeiten für das Rundkino?

Das begann 1970 mit einem öffentlichen Wettbewerb der Stadtverwaltung. Drei Bedingungen gab es: Erstens war der Standort vorgegeben, zweitens mussten mindestens 1.000 Plätze in dem Filmtheater sein und drittens sollte es von allen Seiten gleich aussehen.

Und deshalb ist es rund?

Ja, wir haben geknobelt und gedacht: Wenn es von allen Seiten gleich aussehen soll, dann kann es nur eine Kugel oder ein Kreis, also rund sein. So entstand die Idee.

Wie wollten Sie die 1.000 Leute unterbringen?

Wenn so ein Filmtheater auf der Prager Straße 1.000 Zuschauer fassen soll, dann können wir die doch nicht vor dem Filmstart draußen im Regen oder der Kälte stehen lassen, dachten wir. Also verfolgten wir den Gedanken, dass ein Großteil der Leute schon in ein Foyer reingeht, obwohl im Saal noch andere Menschen sitzen. Deshalb kommen alle von der Prager Straße rein, können schon mal die Garderobe abgeben, gehen dann eine Etage hoch und oben rein, während die anderen unten den Saal links und recht verlassen.

Sehr pragmatisch gedacht

… ja, aber am Anfang waren die Leute etwas verwirrt, weil sie beim Hineingehen ihre Sachen auf der einen Seite der Garderobe abgegeben hatten und beim Hinausgehen auf der anderen Seite wieder abholen mussten. Die meisten wollten dort wieder raus, wo sie reingegangen waren. Da brauchte es am Anfang einen Hinweis auf der Leinwand: Beim Hinausgehen bitte unten die Seitenausgänge benutzen. Irgendwann hatten das alle kapiert.

Wie kamen Sie auf die äußerliche Verkleidung?

Es ging darum, dass sich der innere Betonkörper nicht aufheizt. Deshalb verkleideten wir das Gebäude gleichmäßig mit emaillierten Metall, um es zu beschatten. Wir nahmen mit einer Firma in Beutha im Harz Kontakt auf, die eigentlich Badewannen und Verkehrsschilder emaillierten. Die waren begeistert, dass sie für ein Kino Blechtafeln bearbeiten durften. Die brachten wir dann rundherum mit einem Abstand von etwa 50 Zentimetern an.

"Wenn es von allen Seiten gleich aussehen soll, dann kann es nur eine Kugel oder ein Kreis, also rund sein": Arbeiter vorm Kino-Rohbau im September 1971.
"Wenn es von allen Seiten gleich aussehen soll, dann kann es nur eine Kugel oder ein Kreis, also rund sein": Arbeiter vorm Kino-Rohbau im September 1971. © Foto: Archiv-SZ/Helmut Schäfer

Hieß das Rundkino eigentlich schon immer Rundkino?

Nein, es sollte Filmtheater Heinrich Greif heißen. Es war sogar schon eine Büste von dem Schauspieler da. Der kam 1907 in Dresden zur Welt, war KPD-Mitglied, starb 1946 in Berlin. Es gab damals in der DDR den nach ihm benannten Film- und Fernsehkunstpreis. Allerdings war die Büste eines Tages verschwunden, keiner wusste warum und das Kino hieß nur noch Filmtheater Prager Straße. Die Dresdner nannten es schon immer einfach Rundkino. Übrigens nannten es viele auch den Papierkorb von Robotron. Die haben damals viel erfunden für die Mikroelektronik, aber einiges davon gelang wohl nicht und für das ganze Zeuge brauchte man wohl einen großen Mülleimer.

Was war beim dem Bau die größte Herausforderung?

Im Grunde alles. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie der 20 Zentner schwere Vorhang für die 23 Meter breite und 13 Meter hohe Leinwand angefertigt wurde, nämlich im Kino wurden die einzelnen Stoffballen zusammengenäht. Im Ganzen passte der gar nicht durch die Türen.

Waren Sie damals bei der Eröffnung dabei?

Ja, wer noch so dabei war, weiß ich gar nicht mehr. Ich habe übrigens einen Orden für den Bau bekommen, den Nationalpreis für Kunst und Literatur, allerdings nur zweiter Klasse. Da durfte ich mir auch etwas wünschen. So kam ich endlich zu einer schönen Wohnung in Dresden.

"Es ging darum, dass sich der innere Betonkörper nicht aufheizt. Deshalb verkleideten wir das Gebäude gleichmäßig mit emaillierten Metall": Außenansicht der Fassade von 1972.
"Es ging darum, dass sich der innere Betonkörper nicht aufheizt. Deshalb verkleideten wir das Gebäude gleichmäßig mit emaillierten Metall": Außenansicht der Fassade von 1972. © Foto: SLUB/Deutsche Fotothek/Hö

Das Kino wird nun 50 Jahre, kommen Sie zur Feier am 7. Oktober in das Haus?

Nein, das schaffe ich gesundheitlich nicht mehr. Aber ich freue mich, dass es das Kino noch gibt. Es steht ja auch unter Denkmalschutz, ist allerdings inzwischen so sehr umbaut, dass die einmalige Architektur, die es nur in Dresden gibt, kaum noch zu sehen ist.

Sind Sie traurig, dass ein Großteil Ihrer Projekte abrissen wurde?

Ach wissen Sie, dem Kulturpalast wurde die Innenarchitektur genommen, das Blockhaus ist innen nicht wieder zu erkennen, das Pick-Nick und auch die von mir entworfenen Sternhäuser in Prohlis wurde abgerissen und so weiter. Ich habe in den vergangenen Jahren so viel verloren, meine Frau ist gestorben, mein Mercedes hat keinen TÜV mehr bekommen. So verliere ich mit über 90 Jahren eines nach dem anderen. Manches dabei ist ganz natürlich, aber der Abriss der Architektur aus der DDR ist ungerecht und falsch.

Der Artikel ist Teil einer neuen Serie von Sächsische.de. Unter dem Titel "Die Dresdner Ostmoderne" befassen wir uns bis zum 7. Oktober mit charakteristischen Plätzen und Gebäuden. Den nächsten Teil lesen Sie am Montag.

Tipp: Am 7. Oktober, ab 17 Uhr, lädt das Rundkino zum 50. Geburtstag ein. Gezeigt wird ein Film von Ernst Hirsch mit Architekt Gerhard Landgraf zum Aufbau Dresdens in den 1970er- und 80er-Jahren. Außerdem gibt es eine Diskussion zur Rettung der Dresdner Ostmoderne. Karten gibt es im Rundkino oder unter www.cineplex.de/dresden