Köln. Ein Mitglied des Rundfunkrats beklagt eine falsche Darstellung bei einem Kindermagazin. Diese Konsequenzen kündigte der WDR an

Für einen Artikel zum Nahost-Konflikt auf der Seite eines seiner Kindermagazine muss der WDR scharfe Kritik einstecken. Der Text sei ungenau und führe schnell zu einer Verurteilung Israels, kritisiert Felix Schotland, Mitglied im WDR-Rundfunkrat und Vorstand der Synagogen Gemeinde Köln. Besonders der Abschnitt, in dem die Gründung Israels thematisiert wird, erzeuge ein falsches Bild. Auch ein Nahost-Experte findet einige Formulierungen „unglücklich“. Der WDR kündigte Konsequenzen an.

Kriegserklärungen wurden nicht erwähnt

Das WDR-Format „neuneinhalb“, ein Reporter-Magazin für Kinder, bietet auf seiner Internetseite auch ein Lexikon mit wichtigen Schlagworten. Wichtige Personen, Länder, politische Begriffe, Institutionen aber auch Tiere werden kindgerecht erklärt. In der Zusammenfassung des Nahost-Konflikts scheinen dem WDR-Magazin aber einige schwere Fehler unterlaufen zu sein. Mittlerweile hat der Sender den Text von der Seite genommen.

Leser machten unsere Redaktion auf den WDR-Artikel aufmerksam und beklagten eine einseitige Darstellung des Konfliktes zwischen Israel und Palästinensern. In dem Absatz unter der Zeile „Warum gibt es nicht einfach einen palästinensischen und einen israelischen Staat?“ wurde die Gründung Israels und der UN-Teilungsplan für das britische Mandatsgebiet Palästina von 1947 thematisiert. Dass die arabischen Länder Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und Irak dem Staat Israel einen Tag nach seiner Unabhängigkeitserklärung den Krieg erklärten, wurde jedoch nicht erwähnt.

Ein Screenshot des betreffenden Absatzes im WDR-Text, der mittlerweile zur Bearbeitung von der Seite genommen wurde.
Ein Screenshot des betreffenden Absatzes im WDR-Text, der mittlerweile zur Bearbeitung von der Seite genommen wurde. © WDR | NRZ

Rundfunkratsmitglied Felix Schotland bemängelt aber besonders den Satz, in dem die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) genannt wird. Im WDR-Text hieß es: „Als später auch die PLO sich für einen eigenen Staat einsetzte, gingen die Israelis immer wieder mit Waffengewalt gegen diese Pläne vor.“ Das sei so nicht richtig und führe „ohne Kontext und genauere Erklärung sehr schnell zu einer Verurteilung Israels, da besonders Kinder nicht wirklich in der Lage sind zu differenzieren“, sagt Schotland.

Bezeichnung der Hamas als Terrororganisation fehlte

„Ich habe diesen Text gestern Abend gesehen und mich sehr darüber geärgert“, berichtet er gegenüber der Redaktion. Er habe dann direkt WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn kontaktiert und darum gebeten, dass der Eintrag geändert werde. „Bis zur nächsten Sitzung des Rundfunkrates zu warten, war mir zu lang.“

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Auch die Bilder im Beitrag und ihre Unterschriften seien „sehr gefährlich und faktisch einfach falsch“, meint Schotland. Im gesamten Eintrag werde auch „mit keinem einzigen Wort erwähnt, dass es sich bei Hamas um eine Terrororganisation handelt.“ Im WDR-Text steht in Klammern der übersetzte Name der Hamas, der ein Akronym aus der arabischen Bezeichnung für „islamische Widerstandsbewegung“ ist. Auch das stößt Schotland übel auf: „Die Hamas wird bloß als eine ‚Widerstandsbewegung‘ betitelt, was so nicht richtig ist und besonders bei Kindern ein falsches Bild erzeugt. Die Hamas muss klar verurteilt werden, sodass jedes Kind weiß, dass sie eine Terrorgruppe ist und keine Widerstandsbewegung.“

Angriffe vom 7. Oktober nur kurz am Ende erwähnt

Auch Eckart Woertz, Historiker und Nahost-Experte, findet einige der Formulierungen im Lexikon-Eintrag „unglücklich“ und „nicht präzise“. Besonders der Satz, in dem auf die PLO Bezug genommen wird, sei „sprachlich fragwürdig“. Ziel der PLO sei es damals gewesen, im ganzen Gebiet Palästina einen palästinensischen Staat zu gründen. Der Rest des Textes sei aber eine gute Zusammenfassung des Konfliktes, nimmt er den WDR in Schutz.

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Wie einem Hinweis am Textende zu entnehmen war, wurde der Eintrag des WDR vor seiner Bearbeitung zuletzt am 10. Oktober geändert. In einem kurzen Absatz wurde dabei der Überfall der Hamas erwähnt. Felix Schotland findet es nicht ausreichend, nur zu sagen, dass es am 7. Oktober Angriffe von Seiten der Hamas gab, wie er sagt. „Es wird überhaupt nicht ausreichend dargestellt, wie gravierend der 7. Oktober für Israel und alle Juden der Welt war.“ Die Darstellung werde den Opfern nicht gerecht.

Er verstehe, dass man den Nahostkonflikt nicht einfach auf einer Seite zusammenfassen kann. „Allerdings ist es besonders von Seiten des WDR enorm wichtig, objektiv zu schreiben und nicht so zu schreiben, dass man Israel nur verurteilen kann und den Palästinensern klar die Opferrolle zukommt“, betont Schotland.

WDR nimmt Artikel von der Seite

Nachdem der Artikel noch am Morgen bei Beginn der Recherche in der ursprünglichen Fassung auf der Seite gestanden hatte, erschien, nachdem unsere Redaktion den WDR um Stellungnahme gebeten hatte, über dem Text ein Hinweis darauf, dass der Text in Bearbeitung sei. Zu lesen war er jedoch in der alten Version. Am späten Mittag dann wurde er von der Seite genommen und durch den Hinweis ersetzt: „Dieser Eintrag wird zurzeit auf Fehler überprüft und erneuert. Wir stellen ihn schnellstmöglich wieder zur Verfügung.“

In einer Stellungnahme erklärt der WDR gegenüber der Redaktion: „Das Lexikon hat das Ziel, oftmals komplexe Sachverhalte kindgerecht zu erklären und ist eine sendungsbegleitende Ergänzung. Im Falle des genannten Textes ist dies jedoch nicht gänzlich gelungen. Inhalte werden dadurch nicht hinreichend und in Teilen nicht zutreffend dargestellt“, räumt der Sender ein. „Die redaktionellen Abläufe zur Erstellung der Beiträge werden aktuell intern geprüft. Der Beitrag zum ‚Nahostkonflikt‘ befindet sich in der Überarbeitung und wird in Zusammenarbeit mit Experten erneuert.“