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Interview über das neue Archiv Deutsche Medizinstudierendenschaft

Eine Reise in die Vergangenheit des Medizinstudiums

Dominika Sobecki

 

Von der Studentenbewegung der Sechziger bis zu den gegenwärtigen Ärztestreiks und darüber hinaus – das Archiv Deutsche Medizinerschaft (ADM) dokumentiert die Anliegen von Medizinstudenten von gestern und heute in Postern, Flyern, Zeitschriften, Protokollen und Briefen. Entstanden ist das Archiv Ende 2008 aus einer Initiative der Fachschaft Medizin Aachen in Kooperation mit der bvmd und dem Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen. Fachschaftsmitglied Katharina Kulike berichtet bei MEDI-LEARN exklusiv von Entstehung, Aufbau und Zielen der spannenden Datensammlung.

 Welchen Nutzen haben historische Fachschaftsunterlagen eurer Meinung nach für heutige Studierende?

Zum einen ist es spannend, zu erfahren, in welcher Form sich die Studierenden früher und heute neben dem Studium engagiert haben und engagieren. In vielen Punkten schärft es das Bewusstsein für Dinge, die neben dem Fachwissen des Studiums wichtig sein könnten. Es gibt eine ganze Reihe sozialer und gesellschaftlicher Fragestellungen, die heute nicht mehr in der Form diskutiert werden, wie es früher einmal der Fall war.
Wir gehen davon aus, dass die Haltung der früheren Studierendenschaft auch Einfl uss auf die gegenwärtige Situation der Profession hat, denn viele Studenten von früher sind nun Vertreter in den Fakultäten, Ärztekammern, Fachgesellschaften und so weiter.
Außerdem stellen die Unterlagen eine große Bereicherung für Medizinstudierendenvertreter in den Fachschaften oder in der bvmd dar. Studentenorganisationen haben in den meisten Fällen mit einem sehr hohen personellen „turn-over“ zu kämpfen, was eine längerfristige und nachhaltige Gestaltung ihrer Aktivitäten sehr schwierig macht. Oft beginnt man mit einem Projekt bei Null, ohne zu wissen, dass etwas Ähnliches schon mal existiert hat, oder dass über aktuelle Probleme schon vor Jahren diskutiert wurde.

Was ist die Idee hinter dem ADM?

Die Idee besteht darin, die Zeugnisse des politischen, gesellschaftlichen und sozialen Engagements von Medizinstudenten aus ganz Deutschland zu bewahren und allen Interessierten zugänglich zu machen. Das Archiv soll helfen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, Informationen verfügbar zu machen, Erfahrungen zu teilen. So kann es zum Beispiel sein, dass eine Idee in Aachen noch unbekannt, in Freiburg aber schon seit Jahren etabliert ist. Oder dass die bvmd sich mit einem bestimmten Thema noch nie befasst hat, dafür aber eine ihrer Lokalvertretungen – es geht um Austausch und darum, voneinander zu lernen. Außerdem ist es unser Wunsch, einen zeitlichen und räumlichen Querschnitt durch die Aktivitäten der Medizinstudierendenschaft darzustellen.

Flyer, Poster, Protokolle – welche Art von Unterlagen sammelt ihr?

Prinzipiell archivieren wir alles: von Protokollen über Berichte und Publikationen bis hin zu Postern und Filmen. Wenn es um die historische Aufarbeitung der Aktivitäten der nationalen Medizinstudierendenvertre- Eine Reise in die Vergangenheit des Medizinstudiums Interview über das neue Archiv Deutsche Medizinstudierendenschaft Dominika Sobecki (MEDI-LEARN) im Gespräch mit Katharina Kulike tung geht, sind natürlich Protokolle oder die früher regelmäßig erscheinenden Rundbriefe der Fachtagung Medizin eine wichtige Quelle. Um das kreative Potential einer Fachschaft kennenzulernen, ist es aber auch spannend, sich Flyer, Poster, Filme oder T-Shirts anzuschauen. Daher haben wir keine Begrenzungen, was die Archivalien betrifft.

Von wann sind die frühesten, von wann die aktuellsten Unterlagen des ADM?

Wir haben bereits einzelne Dokumente aus den Fünfzigern. In größerer Zahl verfügen wir, nach heutigem Stand der Dinge, über Unterlagen ab den späten Sechzigern und frühen Siebzigern. Die aktuellsten Dokumente sind von letzter Woche.

Welches sind eure interessantesten Archivalien?

Wir fi nden immer wieder sehr interessante Unterlagen: Resolutionen gegen den Repressionsstaat BRD; Appelle zur Solidarisierung mit Freiheitskämpfern in Guatemala und Nicaragua oder den Bergarbeitern in England; Aufrufe zum Steineklopfen für ein neues Studiengebäude (aus den Neunzigern in Deutschland!); Berichte über die Entstehung der AO; mutige Briefe an das Bundesgesundheitsministerium; die Forderung nach Frauenplena auf den nationalen Tagungen in den achtziger Jahren... Das alles begleitet von vielen Fotos.
Viele Unterlagen gewinnen an Wert, wenn man sie mit der momentanen Situation vergleicht und sieht, dass sich manche Dinge einfach nie ändern. Auf der anderen Seite gibt es Dokumente, die man heutzutage in dieser Form nicht mehr verfassen würde, da sich die politische Einstellung und die Engagementbereitschaft der Studierenden sehr gewandelt haben.

Welchen Umfang hat das ADM zurzeit?

Das Archiv besteht bisher aus ca. 650 Dokumenten, die bereits gescannt, verschlagwortet und in eine Datenbank eingetragen wurden. Diese Dokumente sind jedoch nur ein kleiner Teil dessen, was uns an Unterlagen zur Verfügung steht. Zurzeit warten ca. 80 Ordner darauf, bearbeitet zu werden, und es kommen auch noch die Unterlagen aus aktuellen Aktivitäten hinzu. Es fi ndet also ein kontinuierlicher Ausbau statt.

Wie viele Leute arbeiten an dem Projekt?

Aktuell sind wir vier. Mithilfe ist aber jederzeit willkommen!

Worin genau besteht eure Arbeit?

Der strukturelle Aufbau der Datenbank ist weitestgehend abgeschlossen. Somit besteht unsere Arbeit nun darin, die Dokumente anzuschauen, in Kontext und Zeit einzuordnen, sie zu digitalisieren, in die Datenbank einzugeben und zu verschlagworten. Bei manchen Dokumenten ist es eindeutig, wer sie wann verfasst hat, aber es gibt auch zahlreiche Unterlagen, bei denen man froh ist, wenn man zumindest den Zeitraum und den Kontext ungefähr zuordnen kann.

Handelt es sich beim ADM um ein rein studentisches Projekt?

Im Wesentlichen wird die Arbeit von Studenten durchgeführt. Das ganze Projekt ist aber nur dank der Unterstützung von Prof. Dr. Dr. Groß möglich, in dessen Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin das Archiv räumlich angesiedelt ist und der uns sowohl mit Infrastruktur als auch mit seiner Expertise tatkräftig unterstützt.

Wann hat die Arbeit am ADM begonnen?

Die konkrete Planungs- und Vorbereitungsphase des ADM begann im Mai 2008. Bereits im Mai und Juni hatte sich auch die bvmd mit der Etablierung eines Archivs befasst und die Unterstützung eines solchen Projektes beschlossen.

Ist das ADM bereits „fertig“ und offen für Benutzer?

Es steht noch viel Arbeit an und ein Abschließen des Projektes ist natürlich nicht möglich, denn bei Archivarbeit handelt es sich um einen fortlaufenden Prozess. Aber auch jetzt schon ist jeder Interessierte eingeladen, unsere Unterlagen zu nutzen. Ungefähr 600 Dokumente sind schon digitalisiert und für eine Schlagwortsuche zugänglich.

Ist das ADM für alle Medizinstudenten zugänglich?

Das Archiv ist allen Medizinstudierenden und Mitgliedern von Ehemaligenoder Fördervereinen der Medizinstudierenden zugänglich; unter Aufl agen auch Nicht-Medizinstudenten. Es ist allerdings möglich, dass einige Unterlagen nicht allgemein einsehbar sein werden. Wenn der Spender es wünscht, können Unterlagen vom freien Zugang ausgenommen werden.

Aus welchen Quellen wird das AMD gespeist?

Zunächst versuchen wir, die Unterlagen, die in der Fachschaft Aachen lagerten, aufzuarbeiten. Dazu kommen Dokumente von ehemaligen Amtsinhabern aus bvmd, Fachtagung Medizin (FTM) oder dem Deutschen Famulantenaustausch (DFA). Auch einige Fachschaften haben uns schon Dokumente geschickt. Wir würden uns sehr freuen, wenn uns auch Nicht-bvmd-Lokalgruppen etwas zukommen lassen würden.

Seid ihr mit der eingehenden Materialmenge zufrieden?

Natürlich würden wir uns freuen, wenn wir noch mehr Materialien zugesandt bekämen. Gerade von anderen Fachschaften, aber auch, wie bereits erwähnt, von Medizinstudierendengruppen oder Projekten, die nicht in der bvmd oder in Fachschaften organisiert sind. Jeder, der Dokumente durch die Archivierung retten möchte, ist herzlich eingeladen, mit uns Kontakt aufzunehmen.

Weitere Infos zum Archiv Deutsche Medizinstudierendenschaft fi ndest du unter: www.bvmd.de/verein/geschichte/archiv/

Wenn du Fragen, Ideen oder Anregungen hast oder über Materialien verfügst, die du dem Archiv zur Verfügung stellen möchtest, schreib einfach an: [email protected]