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Wie man Nachhaltigkeit am besten kommunizieren kann

Feel-Good-Strategie bei Fairy
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Feel-Good-Strategie bei Fairy
Wer mit dem Argument Nachhaltigkeit in der Kommunikation auftreten will, muss sich glaubhaft positionieren. Jens Barczewski von Mediaplus hat drei mögliche Markenstrategien identifiziert. Wie sie wirken, wurde mit der „Emotion Engine“, einem Tool, das gemeinsam mit dem Institut September Strategie & Forschung entwickelt wurde, untersucht.
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Für die Erschließung der verschiedenen Nachhaltigkeitsstrategien lag unser Fokus zunächst auf vier Branchen: dem Lebensmitteleinzelhandel, der Fashion-Branche, dem Non-Food- und FMCG-Bereich. Es stellte sich jedoch schnell heraus: Nachhaltigkeitskommunikation differenziert nicht grundsätzlich zwischen Branchen. Entscheidender ist die Positionierung des Unternehmens innerhalb seines Marktes. Und dass sich diese in der entsprechenden Kommunikation mit passenden Signalen und Wordings widerspiegelt. Anhand zahlreicher Kampagnenbeispiele haben wir daher gemeinsam mit dem Institut September drei konkrete Strategien identifiziert, die sich Marken in der Nachhaltigkeitskommunikation bieten, und mithilfe des gemeinsamen Tools „Emotion Engine“ überprüft, was sie bei den Konsumentinnen und Konsumenten auslösen.
Die „Emotion Engine“ ist eine „Datenbank der Emotionen“. Sie basiert auf einem mehrstufigen Ansatz aus psychophysiologischer Emotionsmessung, psychologischem Coding und KI-basierter Codierung. Anhand von über 20 Biosignalen wie Herzschlag, Hautleitwert, Gesichtsmuskeln und Pulsvolumen messen Sensoren kontinuierlich die körperlichen Reaktionen von Testpersonen auf Werbemittel. Der Algorithmus berechnet daraus KPIs, die aufzeigen, wie gut die Werbemittel im Branchendurchschnitt ankommen. Diese emotionalen KPIs fließen wiederum in die KI-basierte Emotion Engine ein. So kann die emotionale Wirkung von Werbemitteln prognostiziert werden. Die drei Strategien:

1.

Mission Strategy – „Erhebe Dich und sei Teil der Revolution“

Marken, die die Mission Strategy verfolgen, fallen auf. Sie stehen für Ernsthaftigkeit und verfolgen Nachhaltigkeit aus Überzeugung. Sie kommunizieren ihre Haltung deutlich und zeigen, dass Nachhaltigkeit im Markenkern verankert und nicht nur eine Teilidentität darstellt. Als missionarische Leitfiguren symbolisieren sie geistige Erhabenheit, Coolness und Rebellion. Auf Basis der Mission Strategy haben sich beispielsweise Oatly und fritz-kola als Rebellionsmarken etabliert.
Allbirds kommuniziert als klare "Mission Brand"
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Allbirds kommuniziert als klare "Mission Brand"

Auch die Bekleidungsmarke Allbirds verfolgt die Mission Strategy. In ihrer TV-Kampagne entlarvt die Marke ein typisches Vorurteil: dass nachhaltige Schuhe nicht widerstandsfähig sind. Die Zuschauerinnen und Zuschauer fühlen sich ertappt, während Allbirds sich als Aufklärer und Vordenker positioniert; mit innovativer Nachhaltigkeitsexpertise und einer klaren Mission. Die Marke gibt sich selbstbewusst und preist ihre Schuhe triumphierend und mit Witz als beste Alternative auf dem nachhaltigen Schuhmarkt an. Das spiegelt sich auch in ihrer Positionierung wider: „Allbirds mission statement is to create better things in a better way.” Konsument:innen blicken zu Marken auf, die eine entsprechende Mission-Brand-Strategie verfolgen, da sie eine starke Orientierung beim Thema Nachhaltigkeit bieten.

2.

Buddy Strategy – „Fühle Dich sicher mit schrittweisen Veränderungen“

Vereinfachen, entlasten, integrieren. Mit der Buddy Strategy zeigen Marken, wie einfach und schmerzfrei der Schritt zur Veränderung ist. Partnerschaftlich und ohne Vorwürfe begleiten die Buddy-Marken Consumer, die Nachhaltigkeit in ihren Alltag integrieren wollen. Iglo und Rügenwalder beispielsweise nutzen diese Markenstrategie und setzen darauf, ihre bestehende Produktpalette mit nachhaltigen beziehungsweise veganen und vegetarischen Varianten zu ergänzen.
Iglo als idealer Buddy
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Iglo als idealer Buddy

Unsere Analyse zeigt, dass es Iglo mithilfe der Buddy Strategy gelungen ist, den negativ konnotierten Begriff Veränderung positiv aufzuladen. Der Vater soll im Werbespot ein fleischloses Gericht für seine Tochter kochen. Er befürchtet eine unbequeme Veränderung, die seine Alltagsroutine verkompliziert. Iglo präsentiert eine einfache Lösung: „Veggie Dinos“, die sich bequem im Ofen zubereiten lassen. So stellt die Marke den einfachen und trotzdem leckeren Produktgenuss in den Vordergrund, ohne zu belehren. Gleichzeitig vermittelt sie das Gefühl, dass Verbraucher:innen mit kleinen Steps und ohne großen Aufwand einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten können.

3.

Feel-Good-Strategie – „Bleib ruhig und sammle Karma-Punkte“

Mit der Feel Good Strategie vermitteln Marken Nachhaltigkeit als Add-on. Diese Strategie greift nicht in Produktnutzung und Markenwahrnehmung ein. Vielmehr dient sie dazu, das Gewissen der Konsumierenden zu beruhigen. Da Nachhaltigkeit hier nicht im Markenkern verankert ist, setzen sich die Kampagnen nicht in der Tiefe mit dem Thema auseinander. Stattdessen zeigen sie auf, wie Verbraucherinnen und Verbraucher ohne Einschränkung oder Veränderung (vermeintlich) nachhaltig leben können. Einzelne Kampagnen, die die Feel-Good-Strategie nutzen, kommen beispielsweise von Vodafone und Fairy.
Feel-Good-Strategie bei Fairy
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Feel-Good-Strategie bei Fairy

Kampagnen kommunizieren Nachhaltigkeit eher dezent und ergänzend: zum Beispiel durch Siegel im Hintergrund von Werbemitteln, die die CO2-Kompensation der Marke belegen, oder durch unterschwellige Hinweise auf Naturverbundenheit mithilfe grüner Akzente.
Ikea beispielsweise nutzte die Feel-Good-Strategie, um die bekannte blaue Frakta-Tasche als nachhaltige Alternative zu positionieren. Die eigentliche Nachhaltigkeitsleistung liegt hier jedoch bei den Konsumentinnen und Konsumenten, die die Tasche wiederverwenden, nicht beim Hersteller selbst. Deshalb wurde die Kampagne nicht nur positiv aufgenommen.
Die Feel-Good-Strategie ist ideal für Marken, die sich nicht intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, es aber ergänzend in ihre Kommunikation integrieren möchten. Diese Art der Nachhaltigkeitskommunikation sorgt dafür, dass Käuferinnen und Käufer kein schlechtes Gewissen haben. Und das rechnet die passende Zielgruppe der Marke hoch an.

Vier Tipps zur Nachhaltigkeitskommunikation

  • Moralkeulen vermeiden: Belehrungen zum kritischen Status Quo lähmen die Konsumentinnen und Konsumenten schnell.
  • Keine Spaltung ohne Zusammenführung: Das ist aktuell eine der größten Problematiken. Egal ob alt oder jung, ob First Adopter oder Menschen, die nur kleinere Veränderungen angehen wollen: Marken müssen zwischen den Lagern vermitteln und sie nicht weiter spalten, damit ein Wir-Gefühl entstehen kann.
  • Buzzword-Flut vermeiden: Die Gefahr der schnellen Entlarvung und des Greenwashing-Vorwurfs ist groß – insbesondere bei Feel Good Brands. Zu viele Buzzwords verwirren und verwässern die konkreten nachhaltigen Maßnahmen der Marken.
  • Überforderungsschock vermeiden: Nachhaltigkeit muss leicht verdaulich sein.

Auf Basis unserer KI-gestützten „Emotion Engine“ können wir Nachhaltigkeitsstrategien passend zur Marke, ihrer Haltung und ihren Produkten empfehlen – indem wir geplante Spots auswerten und Erkenntnisse aus anderen Spots heranziehen. So können Marken ihre zielgerichtet ansprechen und die optimale Nachhaltigkeitskommunikation für ihr Unternehmen definieren. Denn: Nachhaltigkeit funktioniert für jeden Menschen und jede Marke anders.

Weitere Details präsentieren wir zusammen mit september Strategie & Forschung beim IU- Symposium in Hamburg vom 8. bis 9. November