von links nach rechts: Prof. Friedrich Schneider, Bischof Alois Schwarz, Kurt Weinberger, Christine Haiden.
von links nach rechts: Prof. Friedrich Schneider, Bischof Alois Schwarz, Kurt Weinberger, Christine Haiden.
Umweltbischof kritisiert im Zuge der Hagelversicherungs-Kampagne für den Erhalt der Böden "Schöpfungsraub". 20 Fußballfelder an Wiese und Ackerland werden derzeit täglich verbaut.
Bischof Alois Schwarz hat zu einem sorgsameren Umgang mit der Ressource Boden in Österreich aufgerufen. Dass in Österreich täglich 12,4 Hektar Grünflächen - umgerechnet 20 Fußballfelder oder 248 Einfamilienhäuser - verbaut werden, sei ein "Schöpfungsraub", den es dringend zu beenden gelte, erklärte der St. Pöltner Bischof, der in der Österreichischen Bischofskonferenz u.a. für die Agenden Umwelt und Landwirtschaft zuständig ist, am Montag, 3. Dezember 2018 anlässlich des "Weltbodentages" (5. Dezember).
"Wir müssen darauf achten, wie wir unsere Landschaft gestalten, damit es in Zukunft nicht mehr nur verbaute Straßenzüge oder Häuser gibt", so Schwarz. Das Thema ist so ernst, dass es nicht länger ignoriert werden dürfe.
Der Bischof äußerte sich gemeinsam mit Vertretern aus Wissenschaft und Medien bei einer Pressekonferenz der Österreichischen Hagelversicherung, die sich seit 2012 für den Schutz heimischer Böden einsetzt. Noch immer verbraucht Österreich das Fünffache der in der Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2002 festgesetzten Bodenfläche von 2,5 Hektar pro Tag, womit die Alpenrepublik in Relation zur Einwohnerzahl laut den Initiatoren negativer Rekordhalter in Europa ist. Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf Arbeitsplätze, Umwelt und Landwirtschaft sind dramatisch, und einmal versiegelter Boden bleibt für immer "tot". Die Teilnehmer des Podiums forderten daher von der Regierung einen Masterplan für den ländlichen Raum.
Besonders verwies Bischof Schwarz auf die Umweltenzyklika "Laudato si", in der Papst Franziskus eine ökologische Spiritualität gefordert habe. Um dem Boden eine Stimme zu geben, müsse der "tragische Verbau" der Welt bewusst gemacht werden und Menschen zum Verzicht darauf motiviert werden. Dazu gelte es die auch vom Papst dargelegten Hürden zu überwinden, zu denen nicht nur die Ablehnung seitens der Politik, sondern auch unter der Bevölkerung und unter Christen weit verbreitete Haltungen gehörten, "von Leugnung und Gleichgültigkeit über bequeme Resignation bis hin zum blinden Vertrauen auf technische Lösungen". Nötig sei eine "neue universale Solidarität".
Ihm gebe es zu denken, wenn etwa in weiten Teilen des Mühl- und Waldviertels oder Südkärntens "die Einfamilienhäuser mit Doppelgarage immer mehr werden", so der Bischof, denn: "Wer wird darin in Zukunft wohnen, wenn die Jungen alle in die Zentralräume übersiedeln?" Schwarz forderte ein anderes Raumordnungskonzept, eine ökologische Steuerreform, eine konsequente Umsetzung der Klima- und Energiestrategie sowie die Bildung einer "Allianz der Bodenliebhaber", an der sich auch die Kirche beteiligen wolle. Bereits in den vergangenen Jahren und Monaten hatten u.a. auch Kardinal Christoph Schönborn, "Jugendbischof" Stephan Turnovszky und Caritas-Präsident Michael Landau die Hagelversicherungs-Kampagne "bodenlos macht brotlos" unterstützt.
Die Bischofskonferenz sei bei diesem Thema aufmerksam, unterstrich Schwarz. So seien Nachhaltigkeitsrichtlinien beschlossen worden, in der es vor allem um Energie- und Bodenverbrauch geht. Deren Maßnahmen wie etwa der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, die Pachtvergabe an Biobauern oder würden nun in den Diözesen schrittweise umgesetzt. Er selbst habe für die Diözese St. Pölten eine Erhebung beauftragt, um Überblick über leerstehende Gebäude in Kirchenbesitz und über die Energieversorgung zu haben und mit gezielteren Maßnahmen darauf reagieren zu können, berichtete der Bischof.
Mit dem Verlust an Ackerböden sei die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln zunehmend gefährdet, 500.000 Arbeitsplätze entlang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette in Gefahr und auch die Schönheit der Natur in Österreich und der damit verbundene Tourismus sowie die Artenvielfalt stünden auf dem Spiel, erklärte Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Hagelversicherung. Drastisch seien die Auswirkungen auch auf Klima und Wasserhaushalt: Da Regenwasser bei verbauten Flächen nicht versickert, nähmen Überschwemmungen zu, zudem gehe mit dem Boden ein wichtiger CO2-Speicher und im Sommer ein Faktor zur Abkühlung verloren. Als Gebot der Stunde sah Weinberger die Revitalisierung der 40.000 Hektar leerstehenden Immobilien.
Der Linzer Wirtschaftsforscher Friedrich Schneider bezifferte den Verlust an Wertschöpfung durch Bodenverbrauch über zehn Jahre auf 216 Millionen Euro, sowie jenen an Arbeitsplätzen auf 20.000, davon 9.000 alleine in der Landwirtschaft. Die Bodenversiegelung sorge zudem dafür, dass mehr Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser und andere Naturkatastrophen nötig sind. Eine bessere Nutzung der leerstehenden Immobilien hätte hingegen positive Effekte auf die Wertschöpfung von jährlich bis zu 83,7 Millionen Euro und könnte jährlich bis zu 1.125 Jobs sichern.
Die Publizistin Christine Haiden, Chefredakteurin der Zeitschrift "Welt der Frauen", illustrierte das Problem anhand konkreter Beispiele aus Oberösterreich. Immer gebe es "gute Argumente" für das Zubetonieren, etwa bei der Errichtung des neuen LASK-Stadions am Linzer Stadtrand, bei der geplanten Nordic Arena in Hellmonsödt, oder generell bei überdimensionierten Parkflächen für Supermärkte. Die öffentliche Hand ermögliche die kurzfristig billigsten Lösungen für die einzelnen Unternehmen, doch es steige dadurch nicht nur der Individualverkehr, sondern es würden auch die Folgekosten für den Bodenverbrauch nie verrechnet und das Gemeinwohl damit nachhaltig belastet. "Es darf kein 'Recht auf grüne Wiese' geben. Wir vernichten sonst unsere Lebensgrundlage, erst recht aber die der nachfolgenden Generationen", so Haiden.