In Auschwitz ermordet: Julius Hirsch © Bongarts/Getty Images
In Auschwitz ermordet: Julius Hirsch

Deutscher Meister, Nationalspieler, Olympionike

Julius Hirsch wird am 7. April 1892 als siebtes Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Achern geboren. Mit zehn Jahren tritt er dem Karlsruher FV bei, damals einer der erfolgreichsten Vereine Deutschlands. Mit gerade einmal 16 Jahren gibt Julius, genannt "Juller" Hirsch sein Debüt in der 1. Mannschaft und gewinnt 1910 mit dem KFV die Deutsche Meisterschaft. Der gelernte Kaufmann spielt auf der Stürmerposition linksaußen und bildet zusammen mit seinen Mitspielern Fritz Förderer und Gottfried Fuchs ein damals landesweit bekanntes Innentrio. Schnell werden die gebückte Angriffsweise und der harte Schuss zu Hirschs Markenzeichen.

Wegen seiner herausragenden Leistungen im Vereinstrikot wird "Juller" 1911 zum ersten Mal in die deutsche Nationalmannschaft berufen. Beim spektakulären 5:5 im Länderspiel gegen Holland am 24. März 1912 stellte der damals 19-Jährige mit vier Toren einen neuen Rekord auf und nimmt 1912 an den Olympischen Spielen in Stockholm teil. Durch den sich anschließenden Militärdienst verpasste er in der kommenden Saison weitere Länderspiele. Durch einen beruflich bedingten Umzug wechselt er 1913 zur Spielvereinigung Fürth und wird ein Jahr später – als Kapitän seiner neuen Mannschaft – erneut Deutscher Meister. Ein Kunststück, das zuvor noch niemand anderem gelungen ist.

Am 1. August 1914 reißt der Erste Weltkrieg den Kontinent in den Abgrund. Julius Hirsch wird zum Militär eingezogen und ist an verschiedenen Kriegseinsätzen beteiligt, zuletzt als Vizefeldwebel im Bayerischen Landwehr-Infanterieregiment Nr. 12. 1916 erhält er das Eiserne Kreuz II. Klasse, später die bayerische Dienstauszeichnung. Und er bleibt unverletzt. Anders als sein Bruder Leopold, der am 30. April 1918 in der Schlacht am Kemmelberg fällt. Als "Juller" nach fünf Jahren auf den Fußballplatz zurückkehrt, kann er nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen. Er heiratet 1920, wird Vater eines Sohnes und einer Tochter, und Gesellschafter in der vom Vater mitgegründeten Deutschen Signalflaggenfabrik. Als er 1923 seine Laufbahn als aktiver Fußballer beendet, bliebt er seinem KFV weiter als Jugendtrainer verbunden.

Wenige Wochen nach der Machtübertragung an Hitlers NSDAP muss er am 10. April 1933 in der Zeitung lesen, dass der Karlsruher FV ankündigt, "insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen" mit den neuen Machthabern zusammenzuarbeiten. Um dem demütigenden Ausschluss zuvorzukommen, schreibt er noch am gleichen Tag seinem Verein: "… Ich gehöre dem KFV seit dem Jahre 1902 an und habe demselben meine schwache Kraft zur Verfügung gestellt. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch Herzblut vergossene deutsche Juden gibt…". Als "nachstehenden Beweis" führt er seine und die Teilnahme seiner drei Brüder im Ersten Weltkrieg sowie ihre militärischen Auszeichnungen an.

Das Familienunternehmen muss Konkurs anmelden. Um seine Familie zu ernähren, arbeitet Julius Hirsch als Fußballtrainer im Elsass, als Lohnbuchhalter und als reisender Vertreter. Vergeblich geht er 1938 nach Frankreich auf der Suche nach Arbeit. Auf dem Rückweg nach Deutschland versucht er voller Verzweiflung sich das Leben zu nehmen. Seine Seele ist zutiefst verletzt und er muss sich in psychiatrische Behandlung begeben. 1939 verpflichtet das städtische Tiefbauamt Julius Hirsch zur Zwangsarbeit. Sein Arbeitsplatz ist ein Schuttplatz am Rande der Stadt. 1942 lassen sich Julius und seine nicht-jüdische Frau Ella scheiden. Sie haben die Hoffnung, damit ihren Sohn Heinold und ihre Tochter Esther vor Schlimmerem zu bewahren. Trotz der Scheidung hält er sich täglich bei seiner Familie auf. 1943 kommt die amtliche Aufforderung sich zum "Arbeitseinsatz im Osten zu melden". Am 1. März 1943 steigt er in einen Zug nach Auschwitz. Wenige Tage später erreicht die Familie eine Geburtstagskarte an seine Tochter Esther, abgestempelt am 3. März 1943 in Dortmund, einer Zwischenstation auf dem Weg nach Auschwitz: "Meine Lieben! Bin gut gelandet, es geht gut! Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Grüße und Küsse, Euer Juller!"

Es bleibt das letzte Lebenszeichen von Julius Hirsch. Zusammen mit rund 1500 deportierten Jüdinnen und Juden aus ganz Deutschland erreicht Julius Hirsch am frühen Morgen des 4. März das Vernichtungslager Auschwitz. Seine Ankunft ist nicht im Lagerbuch verzeichnet. Die historischen Zeugnisse legen nahe, dass das Leben des gefeierten deutsche Nationalspielers unmittelbar nach seiner Ankunft in einem von zwei provisorisch zu Gaskammern umgebauten Bauernhäusern endet. Nach dem Krieg wird er mit Datum 8. Mai 1945 für tot erklärt. Julius Hirsch und sein Karlsruher Mannschaftskamerad Gottfried Fuchs, dem die Flucht aus NS-Deutschland nach Kanada gelingt, bleiben bis heute die einzigen jüdischen Spieler in der deutschen Nationalmannschaft. Das Leben des Julius Hirsch steht beispielhaft für die Ausgrenzung, Vertreibung und Ermordung zahlreicher jüdischer Sportlerinnen und Sportler aus der deutschen Gesellschaft.

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