Fachartikel IT für EVU

Eigene Ressourcen optimal nutzen

Software-as-a-Service

26.08.2021

Die Liechten­steinischen Kraftwerke haben das Daten- und Software-Hosting für ihr Smart-Metering-System ausgelagert. Der Vertrag umfasst die Daten von über 45'000 Mess­punkten. Nach über einem Jahr Betrieb fällt das Fazit positiv aus: Daten­schutz und System­stabi­lität profitieren von der extern betrie­benen Technologie­plattform.

Smart Metering stellt Energie­versorger und Verteil­netz­betreiber vor eine Reihe technischer und organisa­torischer Heraus­forde­rungen. Neben den finanziellen Belastungen sind vor allem die hohen Anforde­rungen an den Systembetrieb und an den Datenschutz mit der gängigen Infrastruktur und den üblichen personellen Ressourcen für viele kaum abzubilden. As-a-Service-Konzepte entlasten die Unternehmen, indem ein Service-Provider die erforderliche IT-Hardware und Software gegen eine wiederkehrende Servicegebühr bereitstellt. Als direkter Effekt entfallen für den Servicenehmer alle Investitionen in die nunmehr gemietete Systemtechnik. Mittel- und langfristig kann er überdies jederzeit auf eine aktuelle Technologie zurückgreifen, ohne Mittel oder Personal für die Pflege, Wartung und regelmässige Updates der Komponenten und Software vorhalten zu müssen. Die notwendigen Arbeiten erfolgen im Hintergrund durch den Provider, der seine Spezialisten besser auslasten kann als sein Kunde, der die Kompetenzen nur fallweise in Anspruch nehmen muss – dann aber in der Regel sofort. Entsprechend qualifiziertes Personal dafür dauerhaft auf der Payroll zu haben, ergibt betriebswirtschaftlich kaum Sinn. Im As-a-Service-Modell sind diese wiederkehrenden Leistungen fester Bestandteil der Vereinbarung; der Service-Kunde muss sich darum nicht kümmern.

Liquiditätsschonende Miete

Die Verlagerung der Investitions­kosten (Capex) zu den operativen Kosten (Opex) macht As-a-Service-Modelle darüber hinaus wirtschaftlich besonders interessant. Werden eine Software und die verbundene Systemtechnik nicht gekauft, sondern gemietet, erhöht das die Liquidität – speziell bei einem finanziell aufwendigen Rollout kann das den Ausschlag geben. Zugleich erhöht sich die Planungs­sicherheit, da keine Abschreibungen und Rücklagen für Wartungen, Reparaturen, Updates und Upgrades gebildet werden müssen. Mit einer festgelegten, planbaren Servicepauschale sind Eventualitäten ausgeschlossen und die Technologie veraltet nicht.

Software-as-a-Service (SaaS) hat sich bereits in vielen Branchen etabliert und wird im Zuge der Smart-Meter-Rollouts auch in der Energie­versorgung immer populärer. «Da sich unsere Kunden in einem dynamischen, sich stetig än­dernden Umfeld bewegen, ziehen sie neue operative Modelle in Erwägung. Damit steigt das Inte­resse an Managed Services. Diese werden von spezialisierten externen Partnern für das Management des Betriebs und der Prozesse der Advanced Metering Infrastructure von Versorgungsunternehmen bereitgestellt», so Thomas Lenze, Head of Product Mana­gement Services bei Landis + Gyr. Das Unternehmen hat bereits zahlreiche vergleichbare Projekte auf globaler Ebene, aber auch in Europa realisiert. Aktuell ist die Firma für über 340 Ver­sorgungs­unter­nehmen mit mehr als 15 Millionen Messpunkten weltweit (davon 2,5 Millionen in Europa) Serviceprovider für As-a- Service-Lösungen, die den Betrieb und die Wartung von AMI-Systemen umfassen.

Grundsätzlich kann fast alles als ein As-a-Service-Modell aufgesetzt werden. Das eher in Deutschland bekannte Modell der Infrastructure-as-a-Service (IaaS) schliesst unter anderem den Zählerpark mit ein, Metering-as-a-Service (MaaS) die Datenauslesung und -verarbeitung. In den seltensten Fällen wird ein EVU das Messwesen komplett aus der Hand geben. Aber auch das ist möglich und zum Beispiel bei plötzlichen Engpässen kurzfristig realisierbar, wenn die SaaS-Infrastruktur bereits steht.

Schlanke und einfache Prozesse

Alle As-a-Service-Konzepte zielen da­rauf, aufwendige (Teil-)Prozesse auszulagern und damit schlanker und einfacher zu gestalten. Das bedeutet auch, dass es keine Lösung von der Stange gibt: Outsourcing ist kein Selbstzweck, sondern soll die vorhandenen Kapazitäten und Rollen sinnvoll einbinden und stärken sowie die eigenen Ressourcen schonen. Vorausset­zungen dafür ist ein individuell ausbalanciertes Leistungs­bündel, wie es auch für die Liechten­steini­schen Kraftwerke, LKW, entwickelt wurde.

Die LKW versorgen das gesamte Fürstentum Liechtenstein mit elektrischer Energie. Zum Aufgabenspek­trum gehört der Netzbetrieb von rund 300 km 10-kV-Leitungen, 1500 km 400-V-Leitungen sowie mehr als 260 Trans­formator­stationen in Liechtenstein. Mit einer 110-kV-Leitung ist Liechtenstein mit Österreich verbunden, vier 110-kV-Leitungen verbinden das Fürstentum mit der Schweiz. Bis Ende 2014 wurden im Zuge eines vollständigen Rollouts 23’500 Haushalt- Stromzähler gegen Smart Meter des Typs E450 von Landis + Gyr ersetzt und zur Erfassung der Zählerdaten 260 Daten­konzen­tratoren in den Trafo­stationen installiert. Parallel wurde die End-to-End-Lösung mittels AIM Gridstream ausgebaut, die zunächst auf der eigenen IT-Infrastruktur betrieben wurde. Ende 2019 fiel die Entscheidung, das Daten- und Software-Hosting für das Smart Metering im Rahmen eines Software-as-a-Service-Vertrags an den langjährigen Partner zu übergeben. Bei LKW handelt es sich um mittlerweile rund 45’000 Messpunkte, darunter Haushalts- und Industrie­zähler sowie Multi-Energy-Messpunkte. Zum Service­umfang gehören neben der Sicherung und Pflege der Mess-, Auftrags- und Verrech­nungs­daten auch die Umsetzung aller relevanten Sicherheits- und Daten­schutz­vorkehrungen.

Dem Schritt zu SaaS voraus­gegangen waren umfangreiche Analysen und Audits. Diese fanden auch vor Ort in dem europäischen Rechen­zentrum statt, wo die Daten künftig gehostet werden sollten. Gefordert war eine möglichst grosse Transparenz über die gesamte Kette vom Zähler bis zur Datenübergabe an die Kundensysteme. Die anschliessende Implemen­tierung der gesamten Lösung erfolgte im laufenden Betrieb.

Sicherheit und Schutz sensibler Daten

Verteilnetz­betreiber müssen die Sicherheit aller Daten aus Mess-, Steuer- und Regelsystemen gewährleisten. Im Kontext der intelligenten Messsysteme sind damit strenge Vorgaben bezüglich der physischen, logischen und organisatorischen IT- Sicherheit verbunden, schliesslich handelt es sich beim Smart Metering um sensible, personen­bezogene Daten. Hinzu kommt die Verpflichtung, die Konformität mit den jeweils aktuellen Daten­schutz­richtlinien jederzeit sicher­zu­stellen. In der Schweiz ist der Umgang mit den Daten unter anderem in der Stromversorgungsverordnung, im Stromversorgungsgesetz und im Daten­schutz­gesetz geregelt. Die Einhaltung aller gängigen ISO-Normen, Datenschutz- und Sicherheits­anforde­rungen kann der Anbieter sicherstellen, sodass der Betrieb langfristig konform mit den einschlägigen Vorschriften ist. Beispielsweise unterliegt das als SaaS gehostet Head-End-System (HES) einer Metas-Zertifizierung.

Das Rechenzentrum bietet mit modernen Zugangs- und Zutritts­siche­rungen, speziellen Lösch­einrich­tungen und redundanten Systemen eine hohe physische Sicherheit, wie sie inhouse praktisch nicht darstellbar ist. In Finnland werden auch die zuvor bei LKW gehosteten Headend- und Meter-Data-Management-Systeme betrieben. Um einen sicheren und uneinge­schränkten Zugriff durch LKW auf die externen Systeme und Daten zu gewährleisten, implementierte Landis + Gyr eine End-2-End-Sicherheitsarchitektur.

Positive Bilanz

Die ersten Arbeiten begannen im Sommer 2019, schon im Herbst 2019 konnte das System in den Produktivbetrieb gehen. Stefan Volland, Bereichsleiter Netzbetriebs­führung und Kraftwerke bei LKW, zieht eine positive Bilanz: «Das Software-as-a-Service-Modell bietet uns ein Höchstmass an unter­nehme­rischer Freiheit und Risiko­mini­mierung. Mit der Auslagerung aller Dienste rund um das Datenhosting, die Systempflege und Wartungs­aufgaben profitieren wir von hoher System­leistung, Daten­sicherheit und Kosten­transpa­renz. Das schafft Kapazitäten für das Tagesgeschäft und den effizienten Netzbetrieb.»

Autor
Wolfgang Seidl

ist freier Fachjournalist.

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