Brunsbüttel (dpa/lno). Ein Teil des Abbaus in Brunsbüttel ist geschafft. Derzeit zerschneiden Experten unter Wasser Einbauten im Reaktordruckbehälter des AKW. Im Sommer soll der Teil fertig sein. Bis zur grünen Wiese ist aber noch ein weiter Weg.

Etwa 25 Meter unter der Wasseroberfläche macht sich eine Stichsäge an Metallteilen zu schaffen. Es befindet sich im geöffneten Reaktordruckbehälter (RDB) des stillgelegten Kernkraftwerks Brunsbüttel. Brennelemente befinden sich bereits seit langem nicht mehr darin. Seit 2019 wird das AKW abgebaut. „Es hat bislang keine wirklich großen Überraschungen gegeben“, sagte der technische Geschäftsführer von Vattenfall Europe, Ingo Neuhaus, am Montag in Brunsbüttel zum Fortschritt der Arbeiten.

Der Siedewasserreaktor an der Elbe war 1976 ans Netz gegangen, ist seit 2007 dauerhaft abgeschaltet. Voraussichtlich bis kommenden Sommer werde das Zerlegen der Einbauten im RDB dauern, sagte Neuhaus. Bis am Ufer der Elbmündung wieder eine grüne Wiese ist, werden noch mehr als zehn Jahre vergehen. Mindestens 15 Jahre sind für den gesamten Rückbau eingeplant. „Alle Szenarien enden in den 30ern“, sagte Neuhaus. „Wir bauen die Anlage von innen nach außen ab.“ Bis man vom Rückbau etwas von außen sieht, wird es noch dauern. Derzeit arbeiten vor Ort 197 Beschäftigte von Vattenfall und in der Spitze bis zu 500 Mitarbeitende von Fremdfirmen.

Die Arbeiten an belasteten Einbauten wie beispielsweise dem Dampftrockner oder dem Kernmantel erfolgen komplett unter Wasser. „Weil Wasser so gut abschirmt“, sagte Neuhaus. Immer wieder kam ein spezieller Roboter namens Azuro zum Einsatz - der Name steht für Automatische Zerlegung von RDB-Einbauten mittels Unterwasser-Robotertechnik. Es geht um 185 Tonnen, die allein aus dem Inneren des Druckbehälters entsorgt werden müssen. Diese enthielten 99 Prozent der verbliebenen Radioaktivität im AKW, sagte Neuhaus.

Ein Monitor zeigt den Sägevorgang unter Wasser. „Das kann schon mal eine Schicht dauern“, sagt ein Mitarbeiter. Er steht auf der Bühne einer Belademaschine über dem Reaktorbecken. Darunter haben während des Reaktorbetriebs die Kettenreaktionen stattgefunden. Jetzt verläuft an Gestänge nach unten zu der Säge. Das Verkleinern der Teile verläuft nach detailliertem Plan, denn diese landen in sogenannten Konrad-Behältern. Das kontaminierte Material soll später im Endlager Konrad im niedersächsischen Salzgitter eingelagert werden. Bis dahin sollen sie in einem Zwischenlager stehen. Platz in den Behältern ist kostbar. „Wir wollen möglichst wenig Luft drin haben“, sagte Maschinenbauingenieur Henning Bienas.

Es werden Kosten bis zu einer Milliarde Euro für den Abbau geschätzt, sagte Neuhaus. Insgesamt 9000 Tonnen Material werden in Endlagern landen. Allein für die Einbauten im Druckbehälter sind insgesamt 167 Behälter eingeplant - 90 davon sind bereits voll. Wenn dieser Schritt im Sommer 2023 beendet sein wird, geht es mit dem Rückbau des 780 Tonnen schweren Druckbehälters weiter - darauf wird aber eine weitere Rückbaugenehmigung benötigt. Der Behälter ist nicht so stark kontaminiert wie die Einbauten.

Nach mehreren Pannen wird in Brunsbüttel bereits seit mittlerweile 15 Jahren kein Strom mehr erzeugt. Das nach der Fukushima-Katastrophe 2011 endgültige stillgelegte AKW ist nun selbst Stromabnehmer. Rund zwei Megawatt Leistung werden aktuell benötigt, wie Neuhaus erklärte. Ein großes Windrad hat mehr als doppelt so viel. Als das AKW noch am Netz war, betrug der Eigenbedarf 25 Megawatt.

Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sprach mit Blick auf die Arbeiten an den Einbauten im Druckbehälter von einem wichtigen Meilenstein auf dem Weg „hin zu einem atomfreien Schleswig-Holstein. Er zeigt, dass wir hier im Norden mit dem Rückbau unserer AKWs vorankommen.“

Geschäftsführer Neuhaus hält Kernenergie für verantwortbar, sie brauche aber breite Rückendeckung. Er kenne die Risiken. Er wolle „nicht die deutsche Renaissance predigen“.