Bereits im Mai 2020 diskutierten Gattinoni et al., dass einige Patienten mit COVID-19 und akutem hypoxämischem Atemversagen eine relativ stabile Lungencompliance beibehalten [1]. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass neben der mit einem akuten Alveolarschaden in Zusammenhang stehenden Diffusionsstörung weitere Prozesse an der bei Patienten mit schwerer COVID-19 beobachteten Hypoxämie beteiligt sein könnten. Darüber hinaus wurden zwei theoretische Phänotypen abgegrenzt: der L‑Typ, der von einer niedrigen Elastance und einem niedrigen Ventilation-zu-Perfusions-Verhältnis geprägt ist, und der H‑Typ, der eine hohe Elastance und einen hohen Rechts-Links-Shunt aufweist, woraus unterschiedliche Behandlungsstrategien abgeleitet wurden [2]. Zeitgleich häuften sich Berichte zu „außergewöhnlich häufigen“ thromboembolischen Ereignissen bei hospitalisierten COVID-19-Patienten, woraus trotz zunächst fehlender randomisierter Evidenz eine frühzeitige, intensivierte Thromboseprophylaxe für Intensivpatienten mit COVID-19 abgeleitet wurde [3]. Mit der Veröffentlichung erster Obduktionsreihen an COVID-19 verstorbenen Patienten konnten erste pathophysiologische Erklärungsansätze für diese Beobachtungen aufgezeigt werden: Ackermann et al. konnten eine Endothelialitis kleinster pulmonaler Blutgefäße, eine im Vergleich zur Influenzapneumonie und einer nichtinfizierten Kontrollgruppe erhöhte Mikrogefäßthrombosierung und konsekutiv eine gesteigerte Angiogenese nachweisen [4]. Eine räumlich-zeitliche Entwicklung der pulmonalen und mikrovaskulären Schädigungsmuster wurde anhand von topographischer Läsionsverteilung, Erkrankungsdauer und Dauer der invasiven Beatmung durch Kommoss et al. abgeleitet [5]; aus letzterer Obduktionskohorte entstammen auch die zwei hier im Detail präsentierten Fälle.

Der radiologischen Bildgebung – vor allem in Form der Computertomographie (CT) des Thorax – kommt in der Diagnostik bei Patienten mit V. a. COVID-19-Pneumonie und in der Verlaufsbeurteilung bei Verschlechterung der respiratorischen Symptomatik bestätigter COVID-19-Patienten eine entscheidende Rolle zu [6]. Hierbei lassen sich typische durch die SARS-CoV-2-Infektion hervorgerufene radiologische Muster abgrenzen, die den Verdacht auf eine COVID-19-Lungenerkrankung erhärten oder entkräften können. Zudem kann die Bildgebung in der Differenzialdiagnostik wegweisend sein. Wenn differenzialdiagnostisch z. B. der Verdacht auf eine Lungenarterienembolie besteht, sollte die CT-Untersuchung kontrastmittelgestützt erfolgen. Die Dual-Energy- bzw. Spektral-CT-Bildgebung kann dann zur Charakterisierung der Lungenperfusion verwendet werden [7]. In diesem Kontext berichteten Lang et al. bereits von auffälligen Perfusionsanomalien: Zusätzlich zu den typischen CT-Merkmalen einer COVID-19-Pneumonie wurden „deutliche Dilatationen und Tortuositäten“ der Lungengefäße innerhalb oder in der Umgebung von COVID-19-typischen Läsionen beschrieben. Zudem wurde von deutlich reduzierter Perfusion innerhalb der Läsionen und gesteigerter Perfusion proximal und um die Läsionen berichtet [7].

In diesem Artikel werden anhand von zwei exemplarischen Fällen Ausprägungsformen der Mikrovaskulopathie im Zusammenhang mit COVID-19 präsentiert. Beide Patienten zeigten Perfusionsauffälligkeiten in der kontrastmittelgestützten Spektral-CT von Thorax und Abdomen, zu denen eine gezielte mikroradiologische und pathologische Korrelation anhand der Obduktionspräparate erfolgte.

Material und Methoden

Alle organisatorischen und räumlichen Vorsichtsmaßnahmen, die zum Personal- und Infektionsschutz notwendig sind, wurden berücksichtigt. Klinische CT-Untersuchungen erfolgten an einem Dual-layer-CT-System mit 64 Detektorzeilen (iQon Spectral CT, Philips Healthcare, Best, Niederlande). Zur Kontrastverstärkung wurde ein Hochdruckinjektor verwendet, um ein Kontrastmittelvolumen von 95 ml (Accupaque 350 mgI/ml; GE Healthcare, Braunschweig, Deutschland) mit einer Flussrate ≥3,0 ml/s zu injizieren. Die Durchführung der Obduktionen erfolgte nach einem standardisierten Verfahren und wurde detailliert bereits an anderer Stelle beschrieben [5]. Zusammenfassend wurden die Lungen nach trachealer Instillation und Spülung der großen Pulmonalgefäße mit 4 % Formalin für >72 h in 4 % Formalin nachfixiert. Die fotodokumentierte Präparation der Lungen erfolgte in axialer Schichtung zu ca. 1 cm starken Lamellen. Jeweils direkt angrenzende Lamellen wurden hier zur histopathologischen und mikroradiologischen Untersuchung verwendet. Nach Paraffineinbettung wurden histopathologische Schnittpräparate von Gewebeproben angefertigt und nach Standardprotokollen für Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE) und saurem Fuchsin-Orange G (AFOG) gefärbt. Die Trocknung fixierter Lungenlamellen erfolgte durch eine aufsteigende Ethanolreihe, Behandlung mit Hexamethyldisilazan und anschließender Lufttrocknung wie zuvor beschrieben [8]. Die mikroradiologische Bildgebung der getrockneten Lamellen erfolgte mittels eines experimentellen photonenzählenden Ganzkörper-Computertomographen (Somatom CounT, Siemens Healthineers, Forchheim, Germany) im ultrahochauflösenden (UHR) Modus mit einer Pixelgröße von 270 × 270 µm und einer Schichtdicke von 500 µm sowie mittels eines Bruker SkyScan 1176 Mikro-Computertomographen (µCT) mit einer resultierenden Voxelkantenlänge von 9 µm, wie bereits detailliert an anderer Stelle beschrieben [9]. Die digitale µCT-Bilddatenanalyse erfolgte mit den Analyseprogrammen VGSTUDIO Max 3.4.0 (Volume Graphics, Heidelberg, Deutschland) und CTVox 3.1.1 (Bruker Biospin, Rheinstetten, Deutschland).

Ergebnisse

Patient 1

Klinische Epikrise.

71-jähriger Mann, der 4 Tage nach Symptombeginn mit hohem Fieber und V. a. COVID-19 stationär aufgenommen wurde. Drei Tage nach Aufnahme wurde mittels eines nasopharyngealen Abstrichs und RT-PCR (Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion) eine Infektion mit SARS-CoV‑2 bestätigt. Nach 3‑tägiger nichtinvasiver Beatmungstherapie mit nasaler High-flow-Oxygenierungstherapie (HFNO) erfolgte bei respiratorischer Verschlechterung die Intubation und invasive Beatmung für insgesamt 486 h (Tab. 1 und 2). Nach einmaliger Extubation erschöpfte sich der Patient respiratorisch bei bestehender Hypoxämie, sodass eine Re-Intubation und invasive Beatmung erfolgten; 14 Tage nach Re-Intubation verstarb der Patient.

Tab. 1 Klinische Merkmale der Patienten. (In Anlehnung an [5])
Tab. 2 Therapeutische Merkmale. (In Anlehnung an [5])

Radiologische Befunde und histopathologische Korrelation.

Am 25. Behandlungstag, 5 Tage vor dem Versterben des Patienten, erfolgte bei klinischer Verschlechterung mit V. a. einen zusätzlichen abdominellen Infektfokus eine kontrastmittelgestützte CT Thorax/Abdomen (Tab. 3). Es zeigten sich schwere Ausprägungsformen einer COVID-19-Lungenerkrankung mit bilateralen, fleckigen Milchglasinfiltraten, Konsolidierungen, retikulären Zeichnungsvermehrungen und linearen parenchymatösen Verdichtungen (Abb. 1b). In der Jodkarte (Abb. 1a) zeigte sich zentral im rechten Oberlappen ein relativ minderkontrastiertes Areal ohne Nachweis der o. g. COVID-19-typischen Läsionen im Lungenfenster (Abb. 1e, f). Zwischen der klinischen CT-Bildgebung und dem Versterben des Patienten lagen 5 Tage. Makropathologisch korrelierte das in der CT relativ minderperfundierte Lungenareal mit einem Bezirk weniger konsolidierten Lungenparenchyms von weicherer Konsistenz (Abb. 1c, d): ein Befund, der auf belüftetes, strukturell weniger geschädigtes Lungengewebe hinweist. Nach Dehydration der Lungenlamelle ließen sich mikroradiologisch ebendort kleinste sphärische Verdichtungen abgrenzen (Abb. 1g, h, k–n). Die gezielte histopathologische Korrelation der zentralen Anteile der direkt angrenzenden Lamelle 6 zeigte fokale alveoläre Hämorrhagien und vereinzelte fibrinoide Mikrogefäßthromben in der direkten Umgebung der Einblutungen (Abb. 1i, j). Die alveoläre Parenchymarchitektur war weitgehend erhalten, fortgeschrittene emphysematöse, fibrosierende oder desquamative entzündliche Veränderungen waren nicht nachweisbar.

Tab. 3 Klinische CT-Bildgebung
Abb. 1
figure 1

Patient 1. ac Korrespondierende serielle Schichten der Jodkarte (a), des Lungenfensters (b) sowie die standardisiert präparierten Obduktionslamellen des rechten Oberlappens (c). df Lamelle 7 mit korrespondierenden Schichten der CT: ein relativ vermindert kontrastiertes Areal in der Jodkarte (e) korrespondiert mit einem Areal normaler Dichte im Lungenfenster (f) und einem makropathologisch dunkel imponierenden Bereich (d). gh UHR-Aufnahmen der Lamelle 7 nach chemischer Trocknung im Lungenfenster (g) und in der Volumenrekonstruktion (h) zeigen winzige fokale Verdichtungen im Lungenparenchym, die in Morphologie und Ausdehnung mittels µCT exakter zu charakterisieren sind (kl, ergänzendes Video 1). ij Korrelative Histopathologie aus dem direkt angrenzenden Bereich (6 C) zeigt blutgestaute Gefäße und eine fokale alveoläre Hämorrhagie (Pfeil in i) sowie vereinzelte fibrinoide Mikrogefäßthromben. Diese Befunde lassen sich mittels µCT dreidimensional abbilden (k–n, ergänzendes Video 1). Skalenintervalle in (k–n) = 5 mm

Patient 2

Klinische Epikrise.

76-jähriger Mann, der eine Woche nach Symptombeginn mit Fieber, Dyspnoe und Abgeschlagenheit stationär aufgenommen wurde. Die Intubation erfolgte am 9. Behandlungstag, der Patient wurde für insgesamt 643 h invasiv beatmet (Tab. 1 und 2). Er zeigte ein prolongiertes Weaning und erhielt eine plastische Tracheotomie. Während der Entwöhnung von der invasiven Beatmung war es intermittierend nach einem Protokoll möglich, ihn in die Spontanatmung zu überführen. Eine 24-h-Spontanatmung ohne Unterstützung des Beatmungsgeräts konnte der Patient nicht durchführen. Er entwickelte erneut eine respiratorische Verschlechterung und verstarb 6 Tage nach Beginn des Weaning-Protokolls.

Radiologische Befunde und histopathologische Korrelation.

Am 33. Behandlungstag wurde der Patient zunehmend hämodynamisch instabil. Die durchgeführte kontrastmittelverstärkte CT Thorax/Abdomen wenige Stunden vor dem Versterben des Patienten zeigte Zeichen einer COVID-19-Pneumonie, wobei diffuse Milchglastrübungen dominierten und narbige periphere Zeichnungsvermehrungen abgrenzbar waren (Abb. 2a, c; Tab. 3). In der Jodkarte ließen sich keine eindeutigen pulmonalen Perfusionsanomalien abgrenzen (Abb. 2b). Die Makro- und Mikropathologie der Lunge zeigte fortgeschrittene, regional variable SARS-CoV-2-bedingte Schädigungsmuster der Lunge mit einem Nebeneinander von Lungenarealen mit prominenter Hyper- und Metaplasie der Typ-II-Pneumozyten und ausgeprägten interstitiellen und perimikrovaskulären Lymphozyteninfiltraten in Nachbarschaft zu Bereichen mit alveolären hyalinen Membranen als Ausdruck einer frischen alveolokapillären Barrierestörung (Abb. 2d, g). Zudem zeigte sich fokal bereits eine Fibrosierung des pulmonalen Interstitiums (Abb. 2h). Abdominell imponierten radiologisch Zeichen einer mesenterialen Ischämie, wobei das vollständige Kontrastierungsdefizit der Darmwand aboral des Treitz-Bands bei erhaltener Kontrastierung der A. mesenterica superior auffiel (Abb. 3a–d). Makropathologisch bestätigte sich die mesenteriale Ischämie, und mikroskopisch war eine intramurale Perfusionsstörung mit Gefäßdilatation und -hyperämie nachweisbar (Abb. 3e–g).

Abb. 2
figure 2

Patient 2 (Lunge). a COVID-19-typische bilaterale, peripher betonte Milchglasverdichtungen, diskrete periphere Retikulierung und minimale Konsolidierung im Lungenfenster der kontrastmittelgestützten Computertomographie (CT) wenige Stunden vor dem Versterben des Patienten. In der Jodkarte sind keine eindeutigen pulmonalen Perfusionsdefekte abgrenzbar (b). Die zentralen rötlichen Areale im linken Unterlappen entsprechen noch unvollständig fixiertem Gewebe (c). Die Lichtmikroskopie zeigt typische Schädigungsmuster der COVID-19-Pneumonie mit fokaler perimikrovaskulärer Lymphozyteninfiltration (d), prominenter Hyperplasie/Metaplasie der Typ-II-Pneumozyten (e), Ausbildung hyaliner Membranen im Alveolarraum (f) und fokaler Fibrosierung (g). Frische Mikrothromben lassen sich in diesem Areal nicht nachweisen

Abb. 3
figure 3

Patient 2 (Abdomen). Die multiphasische Computertomographie (CT) des Abdomens zeigt Stigmata einer Mesenterialischämie mit Pneumatosis intramuralis (ab) und Pneumatosis portalis (a). Bei subtotaler Abgangsstenose der A. mesenterica superior (c) zeigt sich sonst die arterielle mesenteriale Strombahn erhalten kontrastiert ohne Nachweis thrombembolischer Kontrastmittelaussparungen. In der Jodkarte zeigt sich eine erhaltene Kontrastierung der Duodenalwand bis zum Treitz-Band ohne weitere murale Jodaufnahme des gesamten Dünn- oder Dickdarms (d). Autoptisch bestätigt sich die Ischämie des Dünn- und Dickdarms (e–g) mit Schleimhautnekrose bei Zeichen einer intramuralen Perfusionsstörung

Diskussion

Patient 1

Die beobachteten Perfusionsdefizite in Lungenarealen ohne computertomographische COVID-19-typische Veränderungen, wurden durch die jeweiligen Jodkarten detektiert. Hinweise auf eine Lungenarterienembolie, ein durch Mucus Plugging bedingtes Air Trapping mit konsekutiver hypoxischer Vasokonstriktion oder verminderte Gefäßdichte durch Emphysem zeigten sich nicht. In Zusammenschau mit den mikroradiologischen und histopathologischen Befunden wiesen die Perfusionsdefizite auf ein relatives Versagen der physiologischen Vasokonstriktion der pulmonalen Endstrombahn bei Hypoxie als Ausdruck einer Schädigung der pulmonalen Mikrogefäßstrombahn hin. Dieses als Euler-Liljestrand-Mechanismus bekannte Regulationsphänomen stellt physiologisch die Perfusion von ventiliertem Lungenparenchym durch Reduzierung der Durchblutung nichtbelüfteter Areale sicher. Die gelegentlich nachweisbaren fibrinoiden Mikrogefäßthromben scheinen das Ausmaß des Perfusionsdefizits nicht hinreichend zu erklären. Diese Hypothese wird gestützt durch aktuelle Studien, die auf einen direkten Mikrogefäßschaden bei COVID-19 hinweisen [4, 5]. Möglicherweise ist der Mikrogefäßschaden auf die bekanntermaßen hohe Expression der Metallopeptidase Angiotensin-Converting Enzyme 2 (ACE2) auf humanem pulmonalem Gefäßendothel zurückzuführen, was eine SARS-CoV-2-Infektion von Endothelzellen ermöglichen könnte [10, 11]. Ein eindeutiger Nachweis von SARS-CoV‑2 in kapillaren Lungenendothelzellen und eine damit verbundene direkte Schädigung wurden bislang nicht angeführt. Kürzlich häuften sich darüber hinaus Hinweise auf eine zusätzlich hohe Expression von ACE2 auf Perizyten, eine dem Bindegewebssystem zugehörige Zellpopulation, die auf der Außenseite von Kapillargefäßen lokalisiert ist und durch ihre Kontraktibilität an der Regulierung des Gefäßlumenquerschnitts und letztlich der Perfusion beteiligt ist [12,13,14]. Die Zellpopulationen mit hoher ACE2-Expression sind schematisch im Kontext eines pulmonalen Alveolus dargestellt (Abb. 4) und tabellarisch aufgeführt (Tab. 4).

Abb. 4
figure 4

Schematische Darstellung eines pulmonalen Alveolus mit assoziierter Alveolarkapillare. Pneumozyten vom Typ II sind für die alveoläre Surfactantbildung zuständig und somit essenziell für eine physiologische alveoläre Mikromechanik. Darüber hinaus bilden sie den Stammzellpool für die Regeneration der Typ-I-Pneumozyten, die ihrerseits über eine verschmolzene Basalmembran die Blut-Luft-Schranke mit den alveolären Kapillarendothelzellen bilden. Perizyten sind kontraktile gefäßassoziierte Bindegewebszellen, die an der Vasoregulation beteiligt sind. Alle hier aufgeführten Zellpopulationen weisen eine hohe ACE2-Expression auf (funktioneller Rezeptor für Coronaviren; [10,11,12,13,14]) und stellen somit potenzielle Risikostrukturen für eine direkte Schädigung durch das SARS-CoV‑2 dar: Eine Annahme, die allerdings weiterer Studien auf ultrastruktureller Ebene bedarf. Ihre Schädigung wird in kausalen Zusammenhang mit den im Artikel beschriebenen strukturellen und funktionellen Schädigungsmustern gebracht

Tab. 4 Zellpopulationsspezifische ACE2-Expression mit funktionellen Implikationen

Die zum Teil kräftige Perfusion von COVID-19-typischen Lungenläsionen weist (Abb. 5) ebenfalls auf ein Versagen der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion hin. Darüber hinaus könnte die Hyperperfusion von Läsionen in Zusammenhang mit der von Ackermann et al. beschriebenen aberranten Angiogenese einem lokalen Kompensationsmechanismus entsprechen, der nach Schädigung des Gefäßendothels als Antwort auf eine lokale Mikrothrombosierung sowie durch immunologische Reaktionen und Veränderungen in der mikrovaskulären Hämodynamik stimuliert werden könnte [4]. Die in der CT abgrenzbaren Perfusionsstörungen sind somit als Ausdruck der klinisch beobachteten intrapulmonalen Rechts-Links-Shunts und der Verschlechterung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses anzusehen, die letztlich zur Hypoxie beitragen.

Abb. 5
figure 5

Lokale Hyperkontrastierung einer Konsolidierung im posterobasalen linken Oberlappen in der MonoE40keV-Rekonstruktion (a) und im Lungenfenster (b) bei Patient 1, 19 Tage vor dem Versterben

Eine Hypoperfusion in Lungenabschnitten, die CT-morphologisch COVID-19-typische Veränderungen aufweisen, wie von Lang et al. beschrieben [7], könnten entweder Ausdruck einer noch physiologischen hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion bei relativer Reduktion alveolarer Ventilation sein oder bereits auf eine kapillare Mikrothrombosierung hinweisen. Eine relative Hypoperfusion von Lungenabschnitten, die keine COVID-19-typischen Läsionen tragen, wie im hier präsentierten Fall, stellt klinisch ebenfalls eine relevante Situation dar, da in diesem Fall der Gasaustausch gerade in jenem Lungengewebe kompromittiert ist, das von Seiten der Ventilation noch zu einer Kompensation der Hypoxie fähig wäre. Das Nebeneinander von hyperperfundierten Läsionen und minderperfundierten belüfteten Lungenarealen kann hämodynamisch auch im Sinne eines lokalen intrapulmonalen Steal-Phänomens betrachtet werden. Das Auftreten des relativ hypoperfundierten Areals ohne Milchglastrübungen oder Konsolidierungen scheint nicht lediglich Ausdruck einer normalen Perfusion zu sein, da sich in den apikalen Abschnitten des rechten Oberlappens auch Bereiche finden, die ohne Nachweis von Milchglastrübungen eine relativ höhere Perfusion zeigen (Abb. 6). Zudem zeigte die korrelierende histopathologische Aufarbeitung, dass relativ perfusionsgeminderte Abschnitte strukturelle Zeichen einer Mikrogefäßschädigung aufweisen können (Abb. 1i, j).

Abb. 6
figure 6

Vergrößerte Ansicht der korrespondierenden Schichten 2 und 6 in der Jodkarte und dem Lungenfenster (Vergrößerungen der Abb. 1a, b). Schicht 2 zeigt Areale ohne Milchglastrübungen/Konsolidierungen mit erhaltener Perfusion (ab). Schicht 6 zeigt Areale ohne Milchglastrübungen/Konsolidierungen mit relativ reduzierter Perfusion (cd)

Patient 2

Pulmonal war eine fortgeschrittene COVID-19-Lungenerkrankung mit einem Nebeneinander von akutem Alveolarschaden, frustraner Reparation und Fibrose mit entsprechenden funktionellen Implikationen für die Blut-Luft-Schranke und dem alveolären Gasaustausch zu verzeichnen. Das zudem bestehende, ausgeprägte intestinale Kontrastierungsdefizit ohne Nachweis eines Gefäßverschlusses größerer Mesenterialgefäßäste bewegte uns zur gezielten pathologischen Korrelation und Analyse der mesenterialen kapillären Endstrombahn, in der sich histologisch eine intramurale Perfusionsstörung nachweisen ließ. Wenngleich histologisch keine Mikrogefäßthrombosen nachgewiesen wurden, scheint es naheliegend, dass diese aufgrund einer möglichen umschriebenen, segmentalen Ausbildung in den angefertigten Schnittstufen nicht erfasst wurden. Diese Annahme wäre im Einklang mit der Lungenpathologie, bei der umschriebene Mikrothrombosierungen auch einen erheblichen Einfluss auf die Perfusion benachbarter Lungenabschnitte haben. Differenzialdiagnostisch könnte die Darmischämie auch als Folge einer Low-output-Symptomatik bei COVID-19-bedingtem kardiopulmonalem Versagen zurückgeführt werden. Inwieweit darüber hinaus lokale COVID-19-bedingte Mechanismen einer intestinalen mikrovaskulären Dysregulation eine Rolle gespielt haben könnten, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Fazit für die Praxis

  • Die Behandlung des akuten Atemversagens bei Patienten mit COVID-19 bleibt aufgrund des noch geringen Verständnisses der zugrunde liegenden Pathophysiologie eine Herausforderung.

  • Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass neben der pulmonalen Mikrogefäßthrombosierung eine funktionelle Vasodysregulation benachbarter Lungenabschnitte bei der COVID-19-Pneumonie auftritt. Diese könnte durch einen kompromittierten Euler-Liljestrand-Mechanismus erklärt werden.

  • Zur abschließenden Bewertung scheinen weitere skalenübergreifende Struktur- und Funktionsanalysen der Gefäß- und Perfusionsveränderungen bei Patienten mit COVID-19 durch die bildgebenden diagnostischen Disziplinen dringend erforderlich.